Das Schlossensemble Sondershausen hat Beeindruckendes zu bieten: Stuckreliefs aus der Renaissance, Riesenstatuen antiker Götter, eine gigantische freitragende Saaldecke, das Achteckhaus und einen Traum von Saal in Blau-Weiß, den Farben des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen. Erstmals erwähnt wurde Sondershausen 1125 und erlebte dann eine über 500 Jahre dauernde Herrschaft der Grafen und Fürsten von Schwarzburg. Während dieser Zeit wurden verschiedenste Baustile zum noch heute sichtbaren und so prunkvollen Schlosskomplex vereint.
Beinahe noch beeindruckender ist das immaterielle Vermächtnis des „Musikhofes Sonderhausen“, wo bereits um 1600 Musiker für ein gutes Gehalt angestellt waren und sogar eigene Musiker auf Kosten des Hofes ausgebildet wurden. Kein Geringerer als Michael Praetorius organisierte 1617 die Hofkapelle neu und gab damit den Startschuss für eine bis heute vierhundertjährige, durchgehend bestehende Orchestertradition in Sondershausen.
Musikinteressierte Fürsten waren das Glück der Kapelle, wie auch Fürst Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen Er tat es seinem Amtskollegen, dem Sonnenkönig in Frankreich, gleich, indem er bei der Uraufführung seines Geburtstags-Singballetts im Jahr 1702 selbst eine Rolle als Tänzer übernahm.
Rund hundert Jahre nach Praetorius durfte Johann Balthasar Christian Freislich die erste Blütezeit der Hofkapelle miterleben und mitgestalten. Überliefert sind von ihm weltliche Festmusiken, eine Oper mit dem unerhörten Namen „Die verliebte Nonne“, sowie weltliche und geistliche Kantaten.
Weitere hundert Jahre später, um 1800, setzten sich unter dem Einfluss der französischen Revolution zunehmend auch Bürger für die Musik ein. Ausgerechnet in der kleinen Stadt Sondershausen geschah das zu dieser Zeit ungeheuer Moderne: Der Fürst machte Konzerte für die Bürger der Stadt öffentlich zugänglich, was einen damals unkonventionellen und für das Orchester richtungsweisenden Schritt bedeutete.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlangte die Hofkapelle unter innovativen Kapellmeistern einen weitreichenden Namen, indem sie die Musik von Richard Wagner und Franz Liszt populär machte und höchst professionell zur Aufführung brachte. So bereiteten findige Musiker und Förderer den Weg zu einer bis heute andauernden Orchestertradition im Herzen Deutschlands.
Schloss Sondershausen
Johann Balthasar Christian Freislich (1687–1764)
Kantate „Himmel eröffne die Quelle der Freuden“
„Brunnen-Cantate“
Sätze: Cantata, Recit, Aria, Recit, Aria, Recit, Aria. Tempo di Gavotta
Entstehungsort: Sondershausen?
Entstehungsjahr: vor 1731
Johann Balthasar Freislich (1687–1764):
Ein erfolgreicher Komponist zwischen Sondershausen und Danzig
Zwei Wirkungsstätten prägten maßgeblich das Leben des Thüringer Kapellmeisters und Kantors Johann Balthasar Freislich. Seine Karriere begann er am schwarzburgischen Hof in Sondershausen als Siebenundzwanzigjähriger: zunächst als Hoforganist und dann als Kapellmeister der fürstlichen Hofkapelle. Seine Kompositionen bewegen sich in genau diesem Spannungsfeld von kirchlicher und weltlicher Musik, denn Freislich stand mit der Hofkapelle am Beginn der weltlichen Musiziertradition in Sondershausen. Die Hauptaufgabe der bestallten Musiker war bis dahin gewesen, die musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste und Kasualien zu übernehmen. Daher ist die Kantate auch seine wichtigste Kompositionsform am Sondershausener Hof und wird erst danach von der Oper abgelöst. Freislich komponierte dem Musikgeschmack seines Fürsten entsprechend im italienischen Stil, was sich vor allem in der konzertanten Form seiner Arien und der zahlreichen Koloraturen der Sänger bemerkbar macht.
Seine Ausbildung hatte der junge Thüringer Komponist vermutlich am Hof in Meiningen beim Kapellmeister C.G. Schürmann genossen, bevor er nach Jena zum Studium ging.
In Sondershausen genoss er eine für einen Musiker durchaus komfortable Situation. Er hatte genügend Sänger und Instrumentalisten in der Hofkapelle zur Verfügung und einen musikliebenden Fürsten als Arbeitgeber, der ihn sogar für ein Jahr zum Zweck der Weiterbildung nach Dresden schickte. Auch der mit seinem Amt verbundene Schuldienst wurde ihm nach einer Beförderung erlassen. Trotzdem wechselte er nach siebzehn Jahren in Sondershausen als Vierundvierzigjähriger noch einmal die Stelle und ging in die freie Stadt Danzig, um dort an der Marienkirche Kapellmeister zu werden. Die Bürgerschaft der Stadt Danzig leistete sich zu damaliger Zeit eine enorme Anzahl an fest besoldeten Musikern, für die Freislich im Folgenden groß besetzte kirchenmusikalische und weltliche Werke schuf und sich dort künstlerisch noch einmal ganz anders entfalten konnte, da die bürgerlichen Anlässe wie Ratswechsel, Jubiläen und Huldigungen von Besuchern der Stadt mit großem Pomp gefeiert wurden. Auch Johann Sebastian Bach hatte am Amt des Kapellmeisters in St. Marien Interesse gehabt, wie ein Briefwechsel mit dem gemeinsamen Bekannten Georg Erdmann zeigt. Dieses Amt hatte den großen Vorteil, dass kein Schuldienst damit verbunden war, sondern sich der Amtsinhaber allein der Tätigkeit eines Musikdirektors der Stadt Danzig widmen konnte. Selbst das Thomaskantorat konnte diese Vorzüge nicht aufweisen. Warum Freislich die Stelle bekommen hat und nicht Johann Sebastian Bach ist nicht überliefert. Zu vermuten ist, dass sein Amtsvorgänger und Halbbruder Maximilian Dietrich Freislich für ihn einsetzte. Sicher ist, dass dem schwerpunktmäßig weltlichen Kantatenschaffen in Sondershausen nun eine noch einmal dreiunddreißig Jahre währende fruchtbare Zeit des Komponierens vornehmlich kirchenmusikalischer Werke für die Stadt Danzig folgte.
Gertrud Ohse