„Friede ernehret, Unfriede verzehret“ – so steht es über dem berühmten Friedenskuss am Hauptportal des Schlosses Friedenstein. Dessen Erbauer Ernst I. Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg wünschte sich nach den Grauen des Dreißigjährigen Krieges eine stabile und weitblickend angelegte Politik, die den Frieden im Land sicherte. Das um den Westfälischen Frieden zwischen 1643 und 1654 erbaute Schloss sprach genau diese architektonische Sprache. Als geschlossenes Universum beinhaltete es alle für die barocke Hofhaltung notwendigen Institutionen: die herzoglichen Appartements mit Schlosskirche, die Verwaltung, das Militär sowie Bibliothek, Archiv und Sammlungen. Park und Orangeriegarten sowie das Ekhoftheater vervollständigten das Ensemble. Tatsächlich ging der Wunsch des Fürsten in Erfüllung: Schloss Friedenstein wurde nie zerstört und stellt heute eines der am besten erhaltenen Baudenkmäler des Frühbarocks dar. Es bildete im Zentrum des politisch bedeutendsten Thüringer Herzogtums über knapp vierhundert Jahre einen Ort, an dem sich Kultur entfalten und entwickeln konnte. Hier führte der musikliebende Herzog Ernst der Fromme nicht nur erstmals in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht ein, die auch Musikunterricht beinhaltete, sondern investierte gleichzeitig in den Aufbau einer repräsentativen Hofkapelle. Musikalisch orientierte man sich an der Metropole Dresden sowie am französischen Geschmack. Die größte kulturelle Blütephase des Herzogtums wird mit der Regierungszeit Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1732-1772) angegeben, bei der auch dessen kunstsinnige Gattin Luise Dorothee eine tragende Rolle spielte. Die Kapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel und Georg Anton Benda führten das fort, was ihre Vorgänger im Amt Wolfgang Carl Briegel, Georg Ludwig Agricola, Wolfgang Michael Mylius und Christian Friedrich Witt vor allem durch die musische Ausbildung der Fürstensprösslinge und die Neuordnung des Orchesterwesens aufgebaut hatten. Mit Stölzel begann 1719 die rasante Entwicklung der Hofmusik, während derer sich die Musiker sowohl an französischen als auch italienischen Vorbildern orientierten und die Kapelle wesentlich erweitert wurde. Georg Anton Benda führte das nach seiner Amtsübernahme im Jahr 1750 entsprechend fort und konnte die Leistungsfähigkeit nochmals steigern. Die Kapelle musizierte zu weltlichen Anlässen in den Repräsentationsräumen der Residenz, aber auch im Hoftheater. Dieses gehörte zu den modernsten seiner Zeit und erhielt beispielsweise im Jahr 1681 eine brandneue Schnellverwandlungsmaschine aus Italien. Ein Schauspielensemble, welches ausschließlich das Schlosstheater bespielte, unterstand dem Herzog und bildete ab 1775 das erste stehende deutsche Hoftheater. Zeitgleich erfand hier der Hofkapellmeister Georg Anton Benda mit „Ariadne auf Naxos“ den Musiktheaterstil des Melodrams. Mit dem Geigenvirtuosen Louis Spohr wurde 1805 ein Konzertmeister angestellt, welcher der Hofkapelle ein weiteres glückliches Kapitel ihrer Geschichte hinzufügte.
Quelle: Christian Ahrens - „Zu Gotha ist eine gute Kapelle…“ Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 2009
Schloss Friedenstein Gotha
Georg Anton Benda
(1722 – 1795)
Sinfonie Es-Dur
Sätze: Allegro – Andante – Allegro
Entstehungsort: Gotha?
Entstehungsjahr: 1778
Jean-Baptiste Lully (1632-1687)
Air und Chaconne, aus: „Le bourgeois gentilhomme“, LWV 43
Entstehungsort: Chambord (Frankreich)
Entstehungsjahr: 1671
Georg Anton Benda – Kapelldirector am Hofe Sachsen-Gotha
Etwas überraschend bekam Jiří Antonín (Georg Anton) Benda am 01. Mai 1750 den Posten des Kapellmeisters am Hofe Sachsen-Gotha, war doch der deutlich renommiertere Johann Friedrich Agricola (immerhin Schüler von Johann Sebastian Bach) aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge des verdienstvollen Hofkapelldirektors Gottfried Heinrich Stölzel, der 1749 verstorben war. Als wahrscheinlich gilt, dass Graf Gotter auf Schloss Molsdorf bei Erfurt – seines Zeichens Intendant der neuen Berliner Oper – die Anstellung Bendas in Gotha begünstigte. In Berlin war Benda zuvor etwa acht Jahre als Violinist im berühmten Orchester Friedrichs des Großen tätig gewesen. Höchstwahrscheinlich spielten auch die Verbindungen – Benda und Gotter waren beide Freimauer – in der bekannten Berliner Loge „Aux trois globes“ eine Rolle.1
Etwas fremd muss Benda zunächst der Umzug aus Staré Benátky (heute Tschechien) nach Berlin und Potsdam vorgekommen sein, kam doch der „Jesuitenzögling […] aus klösterlich-strenger Lehre und Abgeschiedenheit in die geistig freie Residenz eines aufgeklärten Fürsten“2 nach Potsdam. Hier erhielt er Geigenunterricht von seinem Bruder Franz und wurde 1742 an der preußischen Hofkapelle als Violinist angestellt.3 Zuvor hatte der aufstebende Musiker auch das Oboen- und Clavierspiel erlernt. Letzteres verhalf ihm wohl ebenfalls zum späteren Posten in Gotha, galt er doch als guter Cembalist.4
In Potsdam und Berlin erlebte Benda den Beginn der Berliner Schule, deren galanter Stil maßgeblich die musikalische Welt der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beeinflusste. Da wäre zunächst die Bekanntschaft mit seinem Kollegen Carl Philipp Emanuel Bach zu nennen, durch den er 1747 mutmaßlich auch dessen Vater Johann Sebastian und Bruder Wilhelm Friedemann kennenlernte.5 Im neuen Berliner Opernhaus hatte Benda die Gelegenheit Werke von Carl Heinrich Graun und Johann Adolph Hasse zu hören. Neben den Großformen Sinfonie und Instrumentalkonzert erlernte Benda vor allem kompositorische Techniken der Oper, wie das recitativo accompagnato, welche er später auch in eigenen Melodramen und Singspielen einsetzte.
In Gotha, wo Benda 1770 zum Kapelldirector aufstieg, stand zunächst die Instrumentalmusik, aber vor allem die Gottesdienstordnung im Vordergrund. Die Hofkapelle war sowohl für die Kirchen- als auch für die Kammermusik verantwortlich. Aus dieser Zeit sind viele Kantaten, Motetten sowie Messen und andere liturgische Formen aus der Feder Bendas überliefert. Dazu schöpfte dieser auch aus einem reichhaltigen Fundus mit Werken seines Vorgängers Stölzel sowie der Komponisten Orlando di Lasso, Philipp Heinrich Erlebach und Georg Philipp Telemann. Von seinem Berliner Freund Carl Philipp Emanuel Bach erhielt Benda das Oratorium Die Israeliten in der Wüste, welches nachweislich in Gotha aufgeführt wurde.6
Entgegen der Fokussierung des Herzogs auf geistliche Musik und geprägt durch seine Erfahrungen aus der vor allem von der Oper geprägten Berliner Zeit strebte Benda zunehmend zur weltlichen und dramatischen Musik. Bis 1765 gab es jedoch keine Opernaufführungen am Hof. Trotz dessen gewann die weltliche Musik in einem aufgeklärten Kreis um Herzogin Luise Dorothea immer mehr an Bedeutung. Anlässlich ihres Geburtstages 1765 komponierte Benda seine Oper Xindo riconnosciuto.7
Eine Italienreise im selben Jahr bescherte Benda zunächst Eindrücke u.a. von dem für seine Opern bekannten Komponisten Christoph Willibald Gluck. Der Hof in Gotha begann gleichzeitig zunehmend theatermusikalische Formen zu kultivieren. Wie Baumann schreibt, wurde jedoch „die Theatertätigkeit [...] mit dem Tod von Luise Dorothea im Jahr 1767 eingestellt und erst wieder aufgenommen, nachdem Herzog Ernst II. 1772 die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte.“8 Begünstigt durch dessen Regentschaft gab es endlich jede Menge Aufführungen im berühmten Eckhof-Theater am Schloss, welches 1775 bis 1778 unter der Direktion von Heinrich August Ottokar Reichard und Conrad Ekhof stand und heute zu den ältesten noch funktionstüchtigen Theatern weltweit zählt.
Benda selbst bekleidete die Stelle in Gotha bis 1778 und reiste danach viel. Auf seinen Stationen in Hamburg, Paris, Wien, Berlin und Mannheim komponierte er und bildete sich stets fort, bevor er sich zuletzt in Köstritz (Thüringen) niederließ, wo er 1795 verstarb.
Benda ist heute vor allem für seine Melodramen und Singspiele bekannt und gilt als „markanter Repräsentant der stilistischen Wandlungen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts“9.
Tillmann Steinhöfel