Das Schlösserensemble auf dem Muschelkalkfelsen ist untrennbar mit der Geschichte der Ernestiner verbunden. Seine wechselvolle Geschichte, die von beständigen Erweiterungen und Umbauten, aber auch von Verfall und Zerstörung geprägt ist, steht exemplarisch für das Herrscherhaus, welches durch Erbteilungen und Zusammenschlüsse immer wieder seine Grenzen änderte. Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar verfasste schließlich 1662 ein Testament, was die thüringische Kleinstaaterei auf den Gipfel trieb: Das thüringische Gebiet sollte gerecht unter seinen vier Söhnen aufgeteilt werden. Zunächst blieb somit für seinen jüngsten Sohn Herzog Bernhard II. das geradezu lächerlich kleine Gebiet Sachsen-Jena. Nur zufällig konnte durch neue Erbteilung 1672 weiteres Land hinzugewonnen werden, womit der neue souveräne Staat immerhin 515 km² umfasste – zu dem auch Dornburg gehörte. Residenzstadt war Jena.
Herzog Bernhard waren nur sechs Jahre Regentschaft vergönnt, diese aber ganz nach französischem Vorbild: Ein kostspielig unterhaltener Hof, ein eigenes Heer, umfangreiche Bautätigkeiten und sogar eigene Münzen. Musik durfte an so einem stattlichen Hof natürlich auch nicht fehlen: So holte er Musiker der Weimarer Hofkapelle und auch Hofkapellmeister Adam Drese nach Jena; dessen Bruder Samuel Drese wurde zum Hoforganisten ernannt. Zwar ist es nicht verbürgt, aber doch denkbar, dass die Musiker der Hofkapelle auch gelegentlich in Dornburg im Alten Schloss oder dem 1539 erbauten Renaissanceschloss ihre Musik darboten.
Das Musikleben florierte, Musiker von allerorten gingen ein und aus. Bernhard leistete sich 15 Berufsmusiker – die er aber scheinbar kaum bezahlen konnte. So übten sie nebenher noch andere Ämter bei Hofe aus, für die sie Sold bekamen, und spielten quasi umsonst. In seiner kurzen Regierungszeit sammelte der Herzog außerdem so emsig Bücher, dass diese nach seinem Tod den Grundstock der Weimarer Hofbibliothek (später Landesbibliothek) bildeten.
Er lebte auf großem Fuße, weit über seine Verhältnisse, ließ sich trotz großer Frömmigkeit scheiden und hinterließ einen dreijährigen Erben, der selbst auch frühzeitig starb. Dadurch war die herzogliche Linie bereits 1690 wieder Geschichte und ließ lediglich einen Schuldenberg zurück. 18 Jahre insgesamt sollte diese für uns heute amüsante Episode des winzigen Staates Sachsen-Jena nach dem Vorbild Versailles andauern. Was bleibt, sind kunstvolle Bauten und kulturelles Flair.
Steht man heute in Dornburg hoch oben am Abhang zwischen Rosen und den Schlössern des lieblichen Ensembles und genießt den atemberaubenden Ausblick in das Saaletal, versteht man, warum es immer wieder Herzöge zum Sommeraufenthalt dorthin gezogen hat und auch Goethe diesen Ort so sehr schätzte, dass er mehrfach hier weilte und Gedichte verfasste.
Die Dornburger Schlösser
Adam Drese (um 1620–1701)
Sonata à 2. Violin è Viol di gamba
Entstehungsort: unbekannt
Entstehungsjahr: vermutlich nach 1652
Andreas Oswald d. J. (1634–1665)
Sonata à 2 Violin è di Gamba
Entstehungsort: vermutlich Weimar
Entstehungsjahr: vermutlich vor 1662
Adam Drese (um 1620–1701): Ein Weitgereister aus der Provinz
Das 17. Jahrhundert ist, trotz des Dreißigjährigen Krieges, ein kulturell ausgesprochen produktives Zeitalter, im gesamten europäischen Raum. Dieser Umstand ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die zahlreichen Höfe Europas die Kunst als Mittel zur Repräsentation sahen: der Ruf eines am Hof angestellten Künstler warf einen besonderen Glanz auf dessen Herrscher, und der Umstand, dass man künstlerisch am Puls der Zeit war, trug dazu bei, den Hof in der europäischen Konkurrenz hervorzuheben.
Sowohl bildende Künstler als auch Musiker wussten um diese Mechanismen, und so verwundert es nicht, dass das Selbstbewusstsein mancher Künstler von internationalem Ruf auch in Finanzdingen ausgesprochen groß war – Spuren davon finden sich noch bei Johann Sebastian Bach, der am Weimarer Hof besser bezahlt wurde als gleichgestellte Kollegen. Das brachte mit sich, dass nur die großen Höfe sich die „großen Namen“ leisten konnten; die kleineren Höfe waren darauf angewiesen, sich im eigenen Lande umzusehen und werteten den heimatlichen Nachwuchs dadurch auf, dass sie ihn zur Ausbildung ins Ausland schickten – auf Kosten des Hofes. Das heutige Musikleben verdankt Heinrich Schütz, Michael Praetorius und Hans Leo Hassler dieser Praxis, und auch Georg Friedrich Händels Italienaufenthalt lässt sich auf das Bedürfnis nach Steigerung des Marktwerts zurückzuführen, ganz abgesehen davon, dass für einen jungen, hochbegabten Musiker die Musikpraxis in Italien zwischen 1550 und 1780 höchst anregend war.
Adam Drese (1620–1701) verdankt seine Ausbildung und seine Karriere dieser Praxis: aus einem kleinen, vermutlich Thüringischen Ort stammend, wird er zur Ausbildung nach Warschau zu Marco Scacchi geschickt. Der dortige Hof hatte die Mittel, international bekannte Musiker an sich zu binden, wie die lange Reihe von italienischen Hofkapellmeistern bezeugt – unter ihnen Luzzasco Luzzaschi und Luca Marenzio. Scacchi selbst ist uns heute nur noch wenig bekannt, zählte zu seiner Zeit aber zu den bedeutenden Figuren der Musikwelt; er stand in regem Austausch mit anderen Hofkapellmeistern, unter ihnen Heinrich Schütz, wird von der Nachwelt als Beispiel eines guten Komponisten herangezogen und lieferte sich mit dem Danziger Organisten, Komponisten und Musiktheoretiker Paul Siefert einen langjährigen Streit über musikalisches Können und Kompositionstechnik.
Nach seiner „aufwertenden“ Ausbildung wird Drese 1652 Hofkapellmeister am Weimarer Hof und führt die Hofkapelle zu einer ersten Blüte, bevor sie 1662 nach dem Tod seines Gönners, Herzog Wilhelm IV., aufgelöst wird. Er steht in engem Kontakt zu Heinrich Schütz, den er mehrfach besucht, und trägt dazu bei, Weimar zu „entprovinzialisieren“: auf diversen Reisen u. a. nach Nürnberg, München, Heidelberg, Mainz, Straßburg und Venedig sucht er neues Repertoire für die Hofkapelle und bildet sich naturgemäß im Austausch mit den Kollegen weiter.
Er wird nach der Auflösung der Hofkapelle von 1662–1667 Hofkapellmeister, Kammersekretär und Stadt- und Amtsschulze, scheint nach seiner Entlassung aus Weimarer Diensten zunächst in Jena geblieben zu sein (für 1669 ist ein Hausbau verbürgt), bevor er ab spätestens 1683 am Hofe von Arnstadt das Kapellmeisteramt bekleidet, das er dann bis zu seinem Tode ausfüllt.
Sein Werk fügt sich nahtlos in das seiner teils bekannteren Kollegen ein; die in Dornburg aufgenommene Sonate für Violine und Viola da Gamba besticht durch ihre große Nähe zur Vokalmusik – die Partien der beiden Instrumente könnten ganz genauso in einem geistlichen Concert gesungen werden.
Gerd Amelung